Nur wenige Tage nachdem Tadschikistans Präsident Emomali Rahmon das Gesetz zur Abschaffung der Strafverfolgung für „Likes“ in sozialen Netzwerken unterzeichnet hat, haben die Behörden offenbar eine neue Welle politischer Verfolgung gestartet.
Nach Recherchen von Azda.tv haben die Strafverfolgungsbehörden eine Liste von über 3000 Personen erstellt, die verdächtigt werden, Oppositionsaktivisten im Ausland finanziell unterstützt zu haben. In allen Fällen seien bereits strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden, so mehrere Quellen, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchten.
Tausende unter Verdacht – Familien unter Druck
Viele der Betroffenen leben im Ausland, vor allem in Russland, arbeiten dort als Arbeitsmigranten. Doch der Druck richtet sich nun gegen ihre Familien in Tadschikistan: Diese werden nach Angaben von Azda.tv unter Druck gesetzt, um ihre Verwandten zur Rückkehr ins Land zu bewegen.
In einigen Fällen sollen Polizeibeamte Geld verlangt haben, um Namen aus den Fahndungslisten zu entfernen – eine Praxis, die Menschenrechtsgruppen als Erpressung unter dem Deckmantel des Gesetzes bezeichnen.
Der Name „Isloh“ als Vorwand für Angst
Im Zentrum der Vorwürfe steht erneut Muhammadikboli Sadriddin, Exilpolitiker, scharfer Kritiker des Regimes und Gründer der Plattform Isloh.net.
In einem Gespräch mit Azda.tv wies er die Anschuldigungen entschieden zurück:
„Seit 2023 habe ich kein Bankkonto mehr – weder privat noch für das Projekt ‚Isloh‘. Die Behörden benutzen meinen Namen als Vorwand, um einfache Bürger einzuschüchtern und unter Kontrolle zu bringen.“
Er erklärte zudem, dass niemand, der in der Vergangenheit Geld an ihn geschickt hatte, verhaftet wurde, solange dies nicht politisch instrumentalisiert wurde.
Mehrere Verhaftungen bereits erfolgt
Medien wie Radio Ozodi berichteten in den letzten Tagen von mindestens 24 Verhaftungen. Betroffen sind vor allem junge Menschen, Rückkehrer aus dem Ausland und ehemalige Arbeitsmigranten. In den meisten Fällen sind die Anklagen unklar, Anwälte werden nicht zugelassen und Familien wissen nicht, wo ihre Angehörigen festgehalten werden.
Die Grundlage vieler dieser Verhaftungen soll eine von russischen Behörden übermittelte Transaktionsliste der Sberbank sein, aus der angeblich hervorgeht, wer Geld an Sadriddin geschickt haben könnte.
Was sagt das Gesetz?
Nach der tadschikischen Verfassung und internationalen Menschenrechtsstandards gilt:
- Geldüberweisungen allein sind kein Verbrechen, solange kein direkter Bezug zu Terrorismus oder illegalen Organisationen bewiesen ist.
- Jede angeklagte Person hat ein Recht auf rechtlichen Beistand, auf ein faires Verfahren und auf die Unschuldsvermutung.
- Der Druck auf Familienmitglieder sowie Erpressung durch Beamte sind rechtswidrig.
Vom „Like“ zum Kontoauszug – Repression in neuer Form
Der Zeitpunkt dieser Repressionswelle wirkt besonders widersprüchlich: Erst wird der „Like“ offiziell entkriminalisiert – ein scheinbarer Schritt in Richtung Öffnung –, und nun erleben wir eine neue Art der Verfolgung: nicht für Meinungsäußerung, sondern für angebliche finanzielle Nähe.
Rechtsexperten sprechen daher von einem Formwechsel, nicht von einer Liberalisierung.
Fazit: Der Staat sät Angst – nicht Vertrauen
Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass in Tadschikistan politisch motivierte Repression weiterhin ein Instrument der Machtsicherung bleibt.
Tausende werden potenziell kriminalisiert, ohne klare Beweise, ohne faire Verfahren. Die Öffentlichkeit bleibt im Unklaren, die Angst regiert statt das Recht.
TajNews wird die Entwicklungen weiterhin beobachten und ist bereit, offizielle Stellungnahmen der Regierung zu veröffentlichen, sobald diese vorliegen.